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EU Kommission veröffentlicht European Chemical Industry Action Plan

Der kürzlich veröffentlichte European Chemicals Industry Action Plan soll Innovation und Nachhaltigkeit in der Chemiebranche fördern. Für die Textilindustrie sind besonders die PFAS-Maßnahmen, die REACH-Revision sowie die Stärkung der ECHA relevant. Bei PFAS besteht jedoch noch Klärungsbedarf.

Die EU Kommission hat am 8. Juli 2025 den European Chemicals Industry Action Plan veröffentlicht. Der Plan enthält zentrale Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in Europa. Er ist Ergebnis des Strategischen Dialogs mit der Branche, der am 12. Mai 2025 unter Leitung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stattfand. Er baut auf dem Competitiveness Compass, dem Clean Industrial Deal sowie dem Dialog mit der Industrie auf und enthält konkrete Maßnahmen in vier zentralen Handlungsfeldern:

 

  1. Stärkung der Resilienz und Sicherung kritischer Produktion
  • Aufbau einer Critical Chemical Alliance gemeinsam mit Mitgliedstaaten und Stakeholdern zur Identifikation und Unterstützung kritischer Produktionsstandorte in der EU.
  • Ziel ist es, Produktionsverlagerungen zu verhindern, neue Märkte zu erschließen und Handelsverzerrungen sowie Abhängigkeiten in Lieferketten zu adressieren.

Für textilrelevante Chemikalien besteht derzeit keine explizite Einbindung. Es ist zu erwarten, dass sich die Diskussion zunächst auf energieintensive Basischemikalien fokussiert. Dabei besteht das Risiko, dass textile Spezialchemikalien, etwa Farbstoffe, Flammschutzmittel, funktionale Polymere oder Beschichtungen, trotz ihrer industriellen Bedeutung nicht berücksichtigt werden. Aus unserer Sicht könnte es sinnvoll sein, relevante Stoffe mit Bezug zur textilen Wertschöpfungskette in die laufenden Diskussionen zur Auswahl „kritischer Moleküle“ einzubringen.

 

  1. Energieversorgung, Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft
  • Umsetzung des Affordable Energy Action Plan, um Energie- und Rohstoffkosten zu senken.
  • Einführung klarer Regeln für kohlenstoffarmen Wasserstoff sowie Anpassung der Beihilferegeln zur Entlastung stromintensiver Chemieunternehmen bis Ende 2025.
  • Förderung sauberer Kohlenstoffquellen und Unterstützung erneuerbarer Energien.
  • Start einer öffentlichen Konsultation zur Verbesserung des Chemical Recycling.

Die geplante Mass-Balance-Regelung könnte mittelfristig für den Einsatz recycelter Rohstoffe in textilen Anwendungen relevant sein. Die Bioökonomiestrategie (Ende 2025) konzentriert sich auf biobasierte Rohstoffe und alternative Produktionswege. Ob sich daraus konkrete Bezüge zur Textilbranche ergeben, hängt von der weiteren Ausgestaltung ab.

 

  1. Innovationsförderung und Entwicklung von Leitmärkten
  • Steuerliche Anreize zur Förderung der Nachfrage nach nachhaltigen Chemikalien.
  • Ankündigung eines Industry Decarbonisation Accelerator Act mit EU-Inhalts- und Nachhaltigkeitskriterien.
  • Geplante Strategien zur Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft zur Stärkung von Recycling und biobasierten Alternativen.
  • Aufbau von EU-Innovations- und Substitutionszentren sowie gezielte Förderung sicherer und nachhaltiger Chemikalien über Horizon Europe (2025 – 2027).
  • Darüber hinaus hebt die Kommission in Abschnitt 4.1 die Rolle der öffentlichen Beschaffung bei der Schaffung von Leitmärkten hervor. Sektoren wie Gesundheit, Verteidigung und Infrastruktur sollen gezielt in die Nachfrage nach nachhaltigen Chemikalien eingebunden werden.
  • Weiterhin werden Vorarbeiten für einen „Advanced Materials Act“ angekündigt (bis 2026), um Rahmenbedingungen für innovative Materialien und deren Skalierung zu schaffen.
  • Auch der Zugang zu Finanzierungsinstrumenten wird als Förderhebel adressiert.

Auch wenn die Innovationsmaßnahmen derzeit stark auf Grundlagentechnologien ausgerichtet sind, könnten Ausschreibungen im Bereich funktionaler Ausrüstungen oder PFAS-Substitution für Textilunternehmen anschlussfähig sein.

 

  1. Regulatorische Vereinfachung
  • Zur PFAS-Thematik wird ein mehrstufiges Vorgehen angekündigt: Nach Abschluss der wissenschaftlichen Bewertung (voraussichtlich 2026) will die Kommission schnellstmöglich einen Regelungsvorschlag vorlegen. Ein vollständiges Verbot von PFAS in Verbraucherprodukten wird dabei ebenso erwogen wie Ausnahmen für strategische Anwendungen – unter strengen Bedingungen und unter dem Vorbehalt emissionsmindernder Auflagen.
  • Investitionen in Innovation und Altlastensanierung nach dem Verursacherprinzip.
  • Veröffentlichung eines sechsten Omnibus-Vereinfachungspakets zur Reduzierung von Bürokratie und Kosten. Dieser soll unter anderem beinhalten:
    • Vereinfachung der Kennzeichnungsvorschriften für gefährliche Stoffe,
    • Klarstellungen im Kosmetikrecht,
    • Erleichterungen bei der Registrierung von EU-Düngemitteln durch Angleichung an REACH.
  • Die Kommission kündigt darüber hinaus eine gezielte Überarbeitung der REACH-Verordnung bis Ende 2025 an („targeted revision“). Ziel ist es, insbesondere für KMU aufwendige Verfahren zu vereinfachen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu stärken.
  • Im Bereich Arbeitsschutz kündigt die Kommission an, EU-weit harmonisierte Arbeitsplatzgrenzwerte im Rahmen der CMRD- und der Chemikalien-Richtlinie voranzutreiben, um Gesundheitsschutz, Produktivität und Wettbewerbsbedingungen gleichermaßen zu verbessern.

Nach einer ersten Bewertung des BDI erfüllen insbesondere die Aussagen der EU-Kommission zur „Klarheit bei PFAS“ nicht die Erwartungen der Industrie. Wichtige Fragen, wie die Definition von Verbraucherprodukten, der Umgang mit Fluorpolymeren und der Zeitplan bleiben unklar, wodurch die erforderliche Planungssicherheit fehlt. Zudem wird die von der Industrie wiederholt geforderte risikobasierte und differenzierte Vorgehensweise nicht berücksichtigt.

Bezüglich der REACH-Revision ist nach wie vor offen, ob daraus tatsächlich spürbare Erleichterungen für die Praxis resultieren. t+m ist über EURATEX eng in den laufenden Prozess eingebunden und wird sich im Laufe der nächsten Wochen auch noch auf deutscher Ebene dazu positionieren.

Weitere Maßnahmen im Aktionsplan (keinem Handlungsfeld zugeordnet):

  • Vorschlag der ECHA Grundverordnung, um die Europäische Chemikalienagentur strukturell und personell für ihre erweiterten Aufgaben (u.  CLP, Biozide, PIC, Abfall, Wasser) zu stärken.

Die geplante Stärkung der ECHA betrifft auch die Chemikalienvorschriften, die für die Textilbranche relevant sind, wie beispielsweise CLP und Biozidverordnung. Wie sich die organisatorischen und personellen Anpassungen der Agentur konkret auf die Anwendung und Durchsetzung dieser Regelungen in der Textilindustrie auswirken werden, bleibt abzuwarten.

 

Weitere Informationen finden Sie im Factsheet der Kommission sowie im Q&A-Dokument zum Aktionsplan.