Baumwolle aus Usbekistan Bild: © Uztextil

Baumwolle aus Usbekistan

Ein Runder Tisch, besetzt mit internationalen Experten, Ministeriumsvertretern und Fachleuten aus der Wirtschaft, ist sich einig: Boykottaufrufe gegen usbekische Baumwolle entbehren heute jeder Substanz. 

Beim Runden Tisch „Baumwolle aus Usbekistan“ am 26. April 2021 auf Einladung des Auswärtigen Amts, des Bundeswirtschaftsministeriums und des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft erörterte eine hochkarätige Runde die Entwicklungen in Usbekistan in den vergangenen fünf Jahren und beleuchteten die Arbeitsbedingungen in der Baumwollernte und Baumwollproduktion. Auch Gesamtmasche war zur Diskussion eingeladen. Die Experten aus Politik, von internationalen Organisationen und aus der Wirtschaft sind sich einig: Der Boykottaufruf der US-amerikanischen „Cotton Campaign“ gegen usbekische Baumwolle muss endlich aufhören. 

Aus unterschiedlichen neutralen Quellen wurden enorme Verbesserungen in den Bereichen Arbeits- und Umweltbedingungen bestätigt. Die EU-Kommission hat Usbekistan kürzlich nach intensiven Prüfungen sogar ganz besondere Fortschritte im Umwelt- und Sozialbereich bescheinigt und die Anstrengungen mit einer Nullzollsatzpolitik belohnt.

Der Runde Tisch war sich einig: Für den Boykott-Aufruf der amerikanischen „Cotton Campaign“ gibt es keine stichhaltige Begründung mehr. Auswärtiges Amt und Bundeswirtschaftsministerium befürworten ausdrücklich, dass der Boykott fallen gelassen wird. Immerhin gibt es offiziell weltweit 330 Unterzeichner der sog. „Cotton Pledge“. Auf deren Liste stehen neben zahlreichen US-amerikanischen Verbänden auch große, einflussreiche Labels, darunter adidas, PVH, VF Corporation und Inditex.

ILO: „Kinder- und Zwangsarbeit gibt es nicht mehr“

Besonderes Gewicht in der Runde hatte der Däne Jonas Astrup, Vertreter der ILO (International Labor Organization, eine Agentur der UN) mit Sitz in Taschkent. Das Jahr 2020 war ein besonderes, stellt er fest, es gab keine Kinderarbeit und praktisch keine Zwangsarbeit mehr in Usbekistan. Wegen der prekären Arbeitsbedingungen in früheren Jahren, Kinder- und Zwangsarbeit bei der Baumwollernte in Usbekistan, hatte die http://www.cottoncampaign.org/  2003 zum Boykott usbekischer Baumwollprodukte aufgerufen. Usbekistan ist weltweit der sechstgrößte Produzent von Baumwolle, nach China, Indien, den USA, Brasilien und Pakistan. Aber nur in den GUS-Staaten fand die zuvor begehrte usbekische Baumwolle weiterhin Kunden. Grund für den Boykott waren die damals noch üblichen Erntemethoden: Ganze Schulen und Universitäten schlossen für mehrere Wochen zwischen September und November ihre Türen. Gemeinsam fuhren Lehrkräfte, Schüler und Studenten aufs Land zur Baumwollernte.

„Als ich ein Kind war, habe ich wegen der Baumwollernte leider viele Schulstunden verpasst. Heute, dank der Reformen, kann meine Tochter ohne Unterbrechungen zur Schule gehen und eine gute Ausbildung bekommen. Das bestärkt mich, mich weiter als Aktivistin für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen.“

Dilshoda Shodmonova aus Chirchiq, Provinz Taschkent, im ILO-Interview

Neue Politik, viele Reformen

Die alten Zeiten sind vorbei. 2016 wählten die Usbeken einen neuen Präsidenten: Shavkat Mirziyoyev. Mit seinem Amtsantritt leitete er einen radikalen Wechsel der Politik ein. Statt der bis dahin bestehenden Abschottung nahm der neue Präsident den Kontakt mit allen Nachbarn des Landes auf und öffnete die Grenzen. Gleichzeitig brachte zahlreiche Reformen zu Demokratie und Marktwirtschaft auf den Weg, reformierte das Bildungswesen und forderte alle Bürger des Landes auf, daran mitzuwirken. Das waren ganz neue Töne.

Schon bei der Baumwollernte 2018 blieben Schüler und Lehrer in den Schulen, die Universitäten setzten ihren Lehrbetrieb fort. Der Bildungsminister selbst überzeugte sich davon mit unangekündigten Besuchen auf den Baumwollfeldern. Inzwischen arbeiten praktisch nur noch bezahlte Erntehelfer auf den Feldern – 96 Prozent, wie der Vertreter der ILO feststellte. Vereinzelt, bei den restlichen vier Prozent der Erntehelfer, gab es BEzahlung, allerdings auch die Androhung von Konsequenzen (Schadenersatz), wenn die vereinbarte Erntehilfe verweigert würde.

Baumwollernte ohne Zwang und ohne Kinder

Als unabhängige internationale Institution der Vereinigten Nationen führt die ILO seit 2013 Monitorings in Usbekistan durch, seit 2015  mit besonderer Prüfung von Kinder- und Zwangsarbeit. Auch in den kommenden 12 Monaten wird das Monitoring fortgesetzt. Nach gründlicher Prüfung bescheinigt die ILO, dass Usbekistan frei ist von Kinder- und Zwangsarbeit: 9.000 Interviews führten die 70 geschulten, unabhängigen Männer und Frauen durch, mit denen die ILO seit mehr als zwei Jahren arbeitet. Sie waren in allen Provinzen und Distrikten Usbekistans unterwegs. Weitere 400 Inspektoren von usbekischer Seite verfolgten die Einhaltung der Arbeitsvorschriften. „Sicher sind wir nicht die einzigen, die ein gutes Monitoring machen“, meint Astro. „Aber wir sind überzeugt, dass unsere Ergebnisse glaubwürdig sind.“ Er hofft, dass sie weiterhin dazu beitragen, politische Entscheidungen in Usbekistan und außerhalb  zu treffen.

Bezahlte Erntehelfer

Die Ergebnisse vom Monitoring der Baumwollernte 2020 beeindrucken: Rund zwei Millionen Menschen nehmen jedes Jahr an der Baumwollernte teil und somit jede achte Person im arbeitsfähigen Alter in Usbekistan. Das Anwerben der Erntehelfer 2020 war eine besondere Herausforderung durch die Corona-Pandemie. 61 Prozent der Erntehelfer waren Frauen. Rund 80 Prozent der Helferinnen und Helfer kamen aus ländlichen Regionen. Im Durchschnitt arbeiteten sie 21 Tage bei der Ernte. Kinder waren nicht dabei. Die Anstrengungen der Regierung zur Beendigung von Zwangsarbeit seien sehr ernst, stellt der Bericht der ILO fest. Die Inspektoren der Regierung seien proaktiv in Land unterwegs und gingen Verstößen ernsthaft nach, stellt der Bericht fest. Die Reformen in der Agrarwirtschaft seien wirksam und würden auch Risiken mindern. Außerdem würden sie für mehr dringend benötigte Arbeitsplätze sorgen. Ihre Einhaltung habe gute Wirkung auch auf andere Bereiche der Wirtschaft.

Internationale Arbeitsstandards und mehr Maschinen

„Die internationale Gemeinschaft sollte die Reformen in Usbekistan unterstützen,“ stellt Jonas Astrup fest. Die ILO ist überzeugt, dass Handel und Investitionsentscheidungen von verantwortlich handelnden, internationalen Firmen dazu beitragen werden, das Erbe der alten, zentralistischen Wirtschaft endgültig abzulegen und internationale Arbeitsstandards weiter einzuhalten. Eine Ausweitung der maschinellen Ernte dürfte ebenfalls weiter dazu führen, das Risiko von prekären Arbeitsbedingungen zu mindern und zuverlässige  Lieferketten herstellen können.  Deshalb will die  ILO internationale Firmen unterstützen, die Geschäfte in Usbekistan anbahnen wollen, sie zu informieren und zu beraten. Die Baumwollindustrie in Usbekistan ist das Rückgrat der Wirtschaft des Landes. Für Usbekistan ist der Bericht der ILO daher ein Meilenstein, der die Reformbemühungen der letzten Jahre würdigt und belohnt.

Gute Aussichten

Baumwolle wird es weiter in großen Mengen geben. Allerdings spielt Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle. Die GIZ unterstützt die gesamte Wertschöpfungskette, den Nützlingseinsatz, die Bewässerung und die Nachhaltigkeit, unterstreicht Florian Nitzinger von der GIZ. Die Anbauflächen werden reduziert und weiterverarbeitende Textilbetriebe angesiedelt, damit die Effizienz in der Produktion steigt und die Wertschöpfung in Land bleibt. Die Rahmenbedingungen seien weiter auf gutem Weg, bestätigt auch Dr. Andreas Nicolin vom Bundeswirtschaftsministerium in Berlin. Die Investitionsbedingungen hätten sich gut entwickelt.

GPS+ als finanzielles Plus in der Beschaffung

Gute Aussichten gibt es auch für die Exporte aus Usbekistan und Importe in die EU. Mit den gerade beschlossenen Sonderpräferenzen GSP+ können Waren aus Usbekistan zum Nullzollsatz in die EU eingeführt werden. Die Aussichten auf nachhaltig produzierte Baumwollprodukte aus Usbekistan sind somit gut: Auch die EU-Kommission bescheinigt dem Land die Einhaltung aller wichtigen internationalen Konventionen im Arbeits- und Umweltbereich, so dass die Textilindustrie mit gutem Gewissen investieren und handeln kann. Nun heißt es nur noch, die Boykott-Kampagne ein Ende zu machen. Das sollte in Kürze geschehen.

Kontakt bei Gesamtmasche: Silvia Jungbauer, Tel.: +49 711 5052841-1

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