Textilwirtschaft in Äthiopien Bild: © RonnyK - pixabay.com

Textilwirtschaft in Äthiopien

Äthiopien gilt als aufsteigendes Produktionsland in der Textil- und Bekleidungsbranche. Im Rahmen der Online-Konferenz Textilwirtschaft in Äthiopien am 24. November 2020 vermittelten Experten aktuelle Fakten.

Generalkonsul der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, eröffnete die Konferenz und unterstrich in seinem Grußwort die besondere Rolle Deutschlands als Handels- und Investitionspartner für Äthiopien, gerade auch im Textilbereich.

Äthiopien hat In Sachen Textil traditionell viel zu bieten, angefangen vom Baumwollanbau. Die heimische Textilindustrie ist mittelständisch geprägt und bietet Kooperationsmöglichkeiten vom Garn bis zur Bekleidung. In den neuen Industrieparks haben vor allem Investoren aus Asien Konfektionskapazitäten aufgebaut. Europäische Unternehmer, die mit Äthiopien ins Geschäft kommen wollen, müssen nach wie vor mit Infrastrukturmängeln und Devisenbewirtschaftung fertig werden. 

 

Hotspot mit Fragezeichen

Äthiopiens Textilbranche hat eindeutig Potenzial – aber ist es kurz- und mittelfristig überhaupt nutzbar? Ulrich Binkert, GTAI-Reisekorrespondent für Ostafrika von Germany Trade & Invest zeichnete ein realistisches Bild des Landes am Horn von Afrika. Arbeit, Land und Energie sind billig. Allerdings ist die Produktivität niedrig, die Infrastruktur an vielen Stellen schwach, und viele textile Vormaterialien und Zutaten müssen importiert werden. Für äthiopische Firmen stellt die Devisenbewirtschaftung eine große Hürde dar: Der Einkauf von Produkten aus dem Ausland ist für sie denkbar schwierig. Und die Meldungen zu bewaffneten Konflikten im November lassen so manchen Investor aufhorchen. Dennoch wird Äthiopien für viele Einkäufer immer interessanter: Freier Marktzugang nach Europa und die USA, der Ausbau der Industrieparks sowie die Unterstützung der äthiopischen Regierung und internationaler Geber bieten ein günstiges Umfeld.

In der GTAI-Sektorstudie „Äthiopien – Die Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie“ (2019) fasst Ulrich Binkert Fakten und Einschätzugen zusammen. Erhältlich unter www.gtai.de.

 

Beschaffen und Produzieren in Äthiopien

Industrieparks in Äthiopien; Grafik: IPDC Ethiopia

Stephan Rehlen, Langzeitexperte von Gesamtmasche im Rahmen des Projektes „Partner Afrika Ethiopia“, unterstützt seit über 12 Jahren textile Kooperationen in Äthiopien und anderen afrikanischen Ländern. Die textile Wertschöpfungskette vor Ort kennt er daher bestens. Er ist überzeugt: „Der Weg für Äthiopiens Textilindustrie ist noch weit, doch die Chancen sind gut.“ Ein positiver Trend ließe sich an den Exportzahlen festmachen – wenn auch auf niedrigem Niveau. Die gezielte Ansiedlung internationaler Investoren, die Förderung des Baumwollanbaus und Trainings zur Verbesserung der Qualität tragen Früchte. Gleichzeitig suchen europäische Firmen Beschaffungsalternativen zu Asien. Vor allem für Standard-Produkte aus Baumwolle bietet Äthiopien demnach gute Voraussetzungen. „Äthiopien ist ein Baumwollland“, betont Stephan Rehlen. Denn Stapellängen und Qualität sind ausbaufähig – die Anbaubedingungen sprechen dafür. Die Branche in Äthiopien ist von der Spinnerei bis zur Konfektion mehr als interessiert an deutschen Partnern. Der Hafen von Djibouti ist von Addis Abeba per Lkw oder Zug in zwei Tagen zu erreichen. Der anschließende Seeweg z. B. nach Hamburg Hafen benötigt dann 17-18 Tage. Für Ziele im süddeutschen Raum ist die Route über italienische Häfen (12-14 Tage) eine Alternative. Für kleinere Sendungen bietet sich Flugfracht mit Ethiopian Airlines an. Die Linie fliegt täglich von Addis Abeba nach Frankfurt. Für Flugverbindungen nach und in Afrika ist Addis bereits der Hub Nr. 1.

Materialien zur Veranstaltung können auf Anfrage über Simone Louis (louis@gesamtmasche.hosting2.tn-rechenzentrum1.de) bereitgestellt werden. Informationen zum äthiopischen Textil und Bekleidungssektor gibt es außerdem auf der Projekthomepage www.partnerafrica-ethiopa.org.

 

Herausforderung Logistik

Auch wenn das Schienennetz ausgebaut wird, sind die Laufzeiten innerhalb Äthiopiens noch sehr lang. Gegenden, die nicht durch die Industrieparks über entsprechende Anbindung an das Schienennetz bzw. an die Hauptstadt verfügen, kämpfen mit schlechten Straßen und Zeitverluste beim Umladen. Hans-Hermann Bergmann von der Meyer & Meyer Holding SE & Co. KG gab eine Einschätzung aus Sicht eines Logistikers ab: Die Verkürzung der Leadtime nach Europa auf unter 20 Tage hält er durchaus für machbar. Nicht nur die Länge, auch die Sicherheit der Laufzeit sei entscheidend für die Terminplanung. Dafür sei es wichtig, dass Qualitätskontrollen, Laborprüfungen, Warehousing und sonstige Services mit den Transportdienstleistungen Hand in Hand gingen.

↘ Meyer & Meyer arbeitet gemeinsam mit WKS am Aufbau entsprechender Services aus einem Guss vor Ort.

 

Dos & Don‘ts im Äthiopien-Geschäft

Die äthiopische Business-Kultur unterscheidet sich in so manchem von der deutsch-europäischen. Asmau Nitardy, Manager Eastern Africa beim Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, gab wichtige Informationen dazu, was beim Umgang mit äthiopischen Geschäftspartnern zu beachten ist. Zentrale Werte in Äthiopien sind Gemeinschaft, Familie, Loyalität, Glaube und Gastfreundschaft. Zurückhaltender und respektvoller Umgang miteinander gehören unbedingt dazu. Was gar nicht gut ankommt ist „besserwisserisches“ Auftreten – oder allzu schnell „aufs Wesentliche“ kommen zu wollen. Äthiopier vermeiden die offene Konfrontation. Drängt man zu schnell auf Zusagen, muss man mit positiven Antworten aus reiner Höflichkeit rechnen – und letztlich alles erneut diskutieren.

↘ Profundes Wissen und langjährige Beziehungen zu allen Teilen Afrikas bietet der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft e. V., www.afrikaverein.de.

 

Wirtschaftsnetzwerk Afrika: Partner im Afrika-Geschäft

Britta Ziemann, Geschäftsführerin Wirtschaftsnetzwerk Afrika des BMWi, und Raphael Kroll, SBS systems for business solutions, stellten das Wirtschaftsnetzwerk Afrika vor: Es bietet ein gebündeltes Beratungs- und Unterstützungsangebot insbesondere für deutsche mittelständische Unternehmen (KMU) an, die wirtschaftlich in Afrika aktiv werden wollen. Interessierten Firmen bietet das Netzwerk kostenlose Beratung zu Geschäftsvorhaben, Informationsveranstaltungen in Deutschland sowie Geschäftsanbahnungsreisen nach Afrika mit Kontaktvermittlung vor Ort. Das in diesem Rahmen geschaffene Pilotprojekt Äthiopien soll interessierte deutsche Mittelständler aus der Wertschöpfungskette der Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie beim Markteintritt in Äthiopien aktiv unterstützen.

↘ Noch bis Ende Dezember fördert das BMWi die kostenlose Erstberatung von Unternehmen, die sich für den Textilsektor in Äthiopien interessieren. Kontakt: info@wirtschaftsnetzwerk-afrika.de

Bild: © RonnyK – pixabay.com