Seit Jahren arbeitet die EU an einer grundlegenden Reform des Zollrechts. Ein wichtiges Element ist die Abschaffung der sogenannten De-minimis-Freigrenze für Sendungen bis 150 Euro. Da der immense Zustrom billiger Online-Sendungen aus China Industrie und Handel in Europa zunehmend unter Druck setzt, will die EU die Abschaffung nun vorziehen. Ein erster Schritt ist eine Zollabgabe von 3 Euro ab 1. Juli 2026. Bekommt man damit das Temu&Shein-Problem ernsthaft in den Griff? Eher nicht.
Der ECOFIN-Rat hat am 12. Dezember eine Übergangsabgabe für Kleinsendungen beschlossen, die bis zur vollständigen Abschaffung der De-minimis-Regel im Juli 2028 gelten soll. Vorgesehen ist eine Zollabgabe von 3 Euro, die ab dem 1. Juli 2026 erhoben wird. Dabei handelt es sich nicht um eine Pauschale pro Sendung, sondern – wie der Rat ausdrücklich festhält – um einen Zoll von 3 Euro pro Artikel. Die Zollabfertigung bleibt damit auch in der Übergangsphase artikelbezogen. Nach deren Ablauf soll jeder Artikel gemäß seiner Warentarifnummer verzollt werden.
Zusätzliche Handling Fee geplant
Parallel zum Übergangszoll ist im Rahmen der EU-Zollreform die Einführung einer EU-weiten Handling Fee vorgesehen, die spätestens ab dem 1. November 2026 greifen soll. Einige Mitgliedstaaten erwägen jedoch bereits im Vorfeld nationale Bearbeitungsgebühren.
Bürokratie- und Kapazitätsprobleme bleiben bestehen
Fachkreise und Branchenvertreter warnen seit längerem, dass eine artikelbezogene Zollanmeldung bei Milliarden von Kleinsendungen erhebliche Bürokratie- und Kapazitätsprobleme nach sich ziehen könnte. Die erforderliche detaillierte Datenerfassung und Tarifierung bis hin zur vollständigen 11-stelligen TARIC-Nummer stellt sowohl Unternehmen als auch Zollbehörden vor große operative Herausforderungen. Auch eine Pauschalierung des Zollbetrags hilft nicht, solange die Komplexität der Zollanmeldung bleibt.
Einheitszoll als praktikablere Alternative im Gespräch
Vor diesem Hintergrund wird in der Fachdebatte weiterhin die Einführung eines echten Einheitszolls für Kleinsendungen diskutiert – etwa in Form eines einheitlichen Prozentsatzes oder einer Pauschale pro Sendung. Solche Modelle könnten den administrativen Aufwand deutlich reduzieren und die Zollsysteme zugunsten europäischer Wirtschaftsbeteiligter entlasten, ohne das Ziel fairer Wettbewerbsbedingungen aus den Augen zu verlieren. Eine entsprechende politische Entscheidung steht bislang jedoch aus.
Wettbewerb wirksam schützen!
GESAMTMASCHE fordert seit langem die Bekämpfung des unfairen Wettbewerbs über die Billigplattformen, auch als andere Verbände noch sorglos verharmlosten: „Das ist nicht unser Segment.“ Wenn die Ware der Ultra-Fast-Fashion-Anbieter erst einmal in der EU angekommen ist, bekommt man das Problem nur noch schwer in den Griff. Klüger als „End-of-Pipe“-Maßnahmen wäre es, bereits beim Bestellprozess, der Werbung und Auslobung der Produkte anzusetzen. Die Apps und Internetseiten von Temu und Shein bieten hierfür auf den ersten Blick Möglichkeiten. Im Extremfall müssten Plattformen, die sich nicht um europäisches Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz scheren, vom Netz genommen werden.
Die Streichung der 150-Euro-Zollfreigrenze oder häufigere Kontrollen bleiben enorm wichtige politische Signale. Solche Maßnahmen sind jedoch aufwendig haben vor allem nur begrenzte Wirkung, sobald die Billigplattformen mit ihrer Logistik oder sogar stationären Formaten näher an ihre Kunden in der EU heranrücken. Genau das ist bereits im Gange – nicht nur mit Verteilzentren in der Türkei und der EU, sondern bereits mit Pop-up-Stores in Metropolen wie München oder Hamburg. Vor allem darf es nicht zu nationalen Alleingängen kommen, die den Binnenmarkt verzerren und zusätzliche Belastungen für Unternehmen schaffen könnten. Entscheidend ist, dass neue Regelungen praktikabel und administrativ beherrschbar ausgestaltet werden.