
Aramidnetz mit gestrecktem Schussfaden. In die neuen rundgewirkten und knotenlosen Netzstrukturen können Sensoren integriert werden, die Material-verschleiß rechtzeitig erkennen. Die Innovation ist aber auch geeignet, um materialsparender zu produzieren. Bild ©: STFI
Netze gehören zu den ältesten technischen Textilien der Menschheitsgeschichte – und stehen nun vor einem bemerkenswerten Technologiesprung. Forschende des Sächsischen Textilforschungsinstituts (STFI) und der Professur Montage- und Handhabungstechnik an der TU Chemnitz haben im Rahmen des Projekts RuDiNe eine neuartige Stehschussfadentechnik entwickelt, die rundgewirkte Netze stabiler, materialsparender und obendrein noch sensorfähig macht.
Ein Plus gegenüber herkömmlichen Netzen
In konventionellen, rundgewirkten Netzstrukturen verläuft der verstärkende Schussfaden im Zickzack. Nach einer bestimmten Anzahl von Netzmaschenverbindungsstellen wechselt er die Richtung. Nachteil dieser Struktur ist, dass der Schussfaden an den Umlenkpunkten je nach Netzbindung und Aufspannung stark gebogen oder geknickt wird. Dadurch wird die Zugfestigkeit reduziert. Vor allem bei Hochleistungsfaserstoffen kann dann das volle Leistungspotenzial nicht ausgenutzt werden. Lichtwellenleiter veranschaulichen diese Beanspruchung gut: An den Umlenkungspunkten tritt das Licht verstärkt aus und die Leistung fällt in der Folge ab.
Die von den Forschenden entwickelte Lösung setzt genau hier an. Eine speziell erweiterte Rundkettenwirkmaschine ermöglicht es erstmals, Schussfäden diagonal und kontinuierlich in die Netzstruktur einzubringen – ganz ohne abrupte Umlenkpunkte. Dadurch entsteht eine knotenlose Netzarchitektur mit deutlich homogenerer Lastverteilung.
Beschädigungsfreie Einbettung sensibler Fasern möglich
In den Versuchsreihen wurde unter anderem ein Lichtwellenleiter mit 0,25 Millimetern Durchmesser als diagonal umlaufender Stehschussfaden in ein Polyesternetz integriert. Das Ergebnis: Die optischen Eigenschaften der Faser blieben vollständig erhalten. Die Technologie erlaubt somit die beschädigungsfreie Einbettung sensibler Fasern – ideal für integrierte Sensorik, strukturelle Überwachung oder elektro-optische Anwendungen. Parallel gefertigte Muster aus Aramid und Dyneema® zeigten zudem eine erstaunliche Leistungssteigerung: Die Zugfestigkeit erhöhte sich um bis zu 35 Prozent und das bei gleichbleibendem Flächengewicht der Netzstruktur.
Smarte Fischernetze und mehr
Für die technische Textilindustrie eröffnet das mehrere Vorteile. Höhere Festigkeiten bei gleichem Gewicht bedeuten Materialeinsparungen in der Produktion – ein spürbarer Effizienzgewinn. Gleichzeitig schafft die Möglichkeit, Sensoren direkt in die Netzstruktur einzubetten, neue Perspektiven für den Umwelt- und Meeresschutz: Fischereinetze könnten künftig selbstständig ihren Verschleiß melden und so rechtzeitig aus dem Wasser geholt werden, bevor sie als „Geisternetze“ unkontrolliert in den Ozeanen treiben.
Alle Vorteile auf einen Blick:
- Höhere Festigkeit: Diagonal geführte Stehschussfäden erhöhen die Zugfestigkeit der Netze um bis zu 35 Prozent – ohne zusätzliches Materialgewicht.
- Schonende Integration sensibler Elemente: Lichtwellenleiter, Sensorfasern oder andere empfindliche Komponenten können beschädigungsfrei in das Netz eingebracht werden.
- Verbesserte Leistungsfähigkeit von Hochleistungsfasern: Durch den Wegfall starker Biegungen und Knickpunkte wird das volle Potenzial von Spezialfasern ausgeschöpft.
- Material- und Ressourceneinsparung: Höhere Netzfestigkeit bei gleichbleibender Masse ermöglicht materialsparendes Produzieren.
- Neue Anwendungen für Smart Textiles: Elektro-optische Funktionen, Verschleißüberwachung und Zustandsdetektion werden direkt im Netz möglich.
- Beitrag zum Umweltschutz: Integrierte Sensorik kann Fischereinetze rechtzeitig vor dem Versagen melden – und hilft, Geisternetze in den Meeren zu vermeiden.
Für tiefere Einblicke in das Forschungsprojekt RuDiNe haben Interessierte die Möglichkeit den Schlussbericht beim STFI anfordern.
Kontakt: Dipl.-Ing. (FH) Franz Klötzer, E-Mail: franz.kloetzer@stfi.de
Bild ©: Pratik Pantil - unsplash.com