Die US-Zollpolitik, weltweite geopolitische Spannungen und hohe Überkapazitäten in China lassen befürchten, dass es zu einer großangelegten Handelsumlenkung in Richtung EU kommen könnte. Die EU-Kommission hat daher ein neues Überwachungsinstrument für Einfuhren eingerichtet. Es beobachtet zeitnah Veränderungen im Importgeschehen und soll die EU vor plötzlichen Importanstiegen schützen. Eine „Heat Map“ soll aufdecken, wo besondere Gefahr droht.
Einfuhr bestimmter Waren schnellt um mehrere Hundert Prozent in die Höhe
Textilien und Bekleidung gehören zu den Sektoren, die unter besonderer Beobachtung stehen. In der ersten Jahreshälfte ist die Einfuhr aus bestimmten Ländern besonders stark angestiegen – bei gleichzeitigem Preisverfall. Dabei steht China als Ursprungsland an erster Stelle, gefolgt von Indien und der Türkei. Auch die ASEAN-Staaten haben ihre Lieferungen erhöht. Einige Produkte verzeichnen mengenmäßige Einfuhrzuwächse von mehreren Hundert, sogar über 1.000 Prozent. Gleichzeitig gehen die Stückpreise in den Keller: Parallel zum Mengenwachstum hat der Importwert bei einigen Produkten um 30, 40 oder sogar über 50 Prozent abgenommen.
Die Spitzenreiter
Bestimmte Kombinationen für Herren aus Maschenware (KN-Nr. 6103 29 00) erreichten in der ersten Jahreshälfte einen Anstieg der Importmenge von unglaublichen 1.880 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Badeshorts für Herren und Jungs legten um 172 Prozent zu, bei einem Preisverfall von 62 Prozent. Gewebte Shorts für Männer legten um 39 Prozent zu, Shorts für Frauen um 29 Prozent – bei einem jeweiligen Preisrückgang von 16 respektive 8 Prozent. Während Maschenstoffe anscheinend vom rapiden Anstieg verschont blieben, sind verschiedene Gewebe aus Baumwolle, Leinen, synthetischen und künstlichen Fasern besonders betroffen. Bei einigen Produkten haben sich die Einfuhrmengen vervielfacht. Bestimmte Baumwoll-Leinen-Gewebe verzeichneten einen Anstieg von 960 Prozent, während ihr Importpreis um 35 Prozent zurückging.
EU-Kommission muss handeln
Bei einigen Produkten mögen sich die schwindelerregenden Werte aufgrund einer niedrigen Ausgangsbasis ergeben. Modische Trends können bestimmte Produkte aus einem Nischendasein befördern, wobei das absolute Wachstum weniger beeindruckt als das prozentuale. Doch das Gesamtbild zeigt: Immer mehr Textilwaren drängen auf den EU-Markt, während die Durchschnittspreise fallen. Wie die EU-Kommission dagegen vorgehen will, ist unklar. Für handelspolitische Schutzmaßnahmen braucht sie konkrete Fälle und Beschwerden aus der Industrie. Die Hürden dafür sind hoch. Ein Anfang wäre ein konsequentes und zügiges Vorgehen gegen Billig-Online-Plattformen, die rasant Marktanteile erobern den EU-Markt mit billiger Ultra Fast Fashion fluten. Solchen Formaten ist mit traditionellen Schutzinstrumenten wie z. B. Antidumpingmaßnahmen ohnehin nicht beizukommen.
Informationen erbeten
Die Beobachtung alleine bietet noch keinen Schutz. Die EU-Kommission ruft daher Unternehmen und Verbände auf, das Tool im Blick zu behalten und zusätzliche Informationen zu Veränderungen der Marktsituation bei der DG Handel einzuspeisen. Das soll helfen, bestimmte Produkte zu identifizieren, die aufgrund erheblicher Importsteigerungen gefährdet sein könnten.
Details zum Monitoring und den Importdaten können hier abgerufen werden.
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