Krisen, Konflikte und Zölle beeinflussen nicht nur die Handelsrouten, sondern auch die Warenströme weltweit. Für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie heißt das: höhere Risiken – aber auch Chancen für stabilere Lieferketten.
Lieferketten unter Druck – Preis stabil
Pandemie und geopolitische Spannungen haben die globale Logistik durcheinandergerüttelt. Besonders textilbezogene Warenströme, die stark auf Asien ausgerichtet sind, leiden seit COVID unter Engpässen, längeren Laufzeiten und volatilen Preisen. Derzeit ist der Druck durch externe Einflüsse zwar hoch, doch die Frachtraten sind überraschend stabil. Nach einem zwischenzeitlichen Preisanstieg durch die erratische US-Zollpolitik und die Störungen im Roten Meer liegen sie aktuell nur bei ca. der Hälfte des Vorjahresniveaus. Das liegt vor allem an weltweiten Überkapazitäten, die seit der Pandemie aufgebaut wurden. Zudem haben die zeitraubenden Umleitungen um Afrika dazu geführt, dass die Containerkapazitäten weiter erhöht wurden. Auch die Luftfracht zeigt sich ruhig: Nach der Hochsaison im September sind die Preise für Transporte aus Asien nach Europa und in die USA unter drei US-Dollar pro Kilogramm gefallen.
Neue Routen und regionale Chancen
Weil traditionelle Seewege risikobehaftet bleiben, gewinnen alternative Transportachsen an Bedeutung. Der „Middle Corridor“ – eine Verbindung von China über Kasachstan, das Kaspische Meer, Aserbaidschan und die Türkei nach Europa – umgeht Russland und verkürzt Transitzeiten. Auch der geplante India–Middle East–Europe Economic Corridor (IMEC) könnte künftig Textilien aus Südasien schneller nach Europa bringen. Parallel setzen viele Unternehmen auf Nearshoring: Produktionen in der Türkei, Nordafrika oder Südosteuropa verkürzen Wege, senken CO₂-Emissionen und machen unabhängiger von Asien.

Der Freightos Baltic Index (Global) im Dreijahresverlauf: Talsohlen und Spitzen wechseln sich ab. Grafik:© FREIGHTOS
US-Zollpolitik verändert die Spielregeln
Ein zentraler Einflussfaktor bleibt die Handelspolitik der USA. Strafzölle auf chinesische Textilien und das Importverbot für Baumwolle aus Xinjiang (UFLPA) haben Lieferketten neu sortiert – auch die Auslandsproduktion und -beschaffung vieler deutscher Marken. 2025 führten Zollpausen während der bilateralen Verhandlungen um US-Zusatzzölle zu Nachfragespitzen vor allem auf den Transpazifikrouten – viele US-Importeure wollten vor Ablauf der Zollpausen noch Ware einführen. Mittlerweile haben sich die Effekte geglättet, doch die Struktur bleibt fragil: Aktuell sind die Preise durch Überkapazitäten zwar stabil, doch künftige Zollmaßnahmen könnten erneut Druck erzeugen.
Schnelle Anpassung der Billig-Plattformen
Chinesische Billig-Plattformen wie Shein oder Temu verschärfen die schwierige Wettbewerbssituation für mittelständische Hersteller in Europa. Die Ultra-Fast-Fashion-Anbieter importieren massenhaft Kleinsendungen und umgehen so die klassische Verzollung. Angesichts steigender Logistikrisiken, Frachtkosten und Laufzeiten – und der Schließung des Zollschlupflochs in den USA, bald auch in der EU – passen sich die Plattformen jedoch schnell an. Sie haben bereits entsprechende Logistikzentren in der EU und der Türkei etabliert und bauen ihre Marktanteile rasant aus. Je nach Produkt nutzen sie verschiedene Handelsrouten.
Was kann helfen? Strategisch reagieren!
- Bezugsquellen diversifizieren: mehrere Länder und Routen nutzen.
- Planung flexibilisieren: Alternativszenarien für Engpässe entwickeln.
- Regionale Netzwerke stärken: europäische Partner einbinden.
- Nachhaltigkeit integrieren: CO₂-Bilanz und Rückverfolgbarkeit werden Pflicht bzw. Quasi-Pflicht.
Fazit
Trotz Zollchaos, Umleitungen und Engpässen in wichtigen Häfen wie Hamburg gibt sich die internationale Logistik erstaunlich stabil – vorerst dank hoher Kapazitäten. Mittel- bis langfristig werden jedoch neue Routen, Regionalisierung und politische Umsicht entscheidend sein, um Lieferkettenrisiken zu minimieren. Die frühzeitige Anpassung der Lieferwege ist daher entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit.
Kontakt: Silvia Jungbauer, jungbauer@gesamtmasche.de
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