Auch wenn Brüssel Omnibus-Pakete schnürt und der Koalitionsvertrag Bürokratieabbau verspricht: Aufatmen kann der textile Mittelstand in Deutschland nicht. Auf einer Gesprächstour erhielten Constance Ißbrücker und Michael Engelhardt vom Gesamtverband textil+mode bei sechs Mitgliedsfirmen von Gesamtmasche Einblick in einen Unternehmensalltag, der im Zeichen einer fatalen Überregulierung steht.
Die überbordende Bürokratie und das mit ihr verbundene „Beratertum“ sind Thema Nummer eins, das die Referenten des Berliner Dachverbandes beim Austausch mit den Unternehmensleitungen diskutierten. Beim Thema Energie treibt nicht nur der enorme Kostendruck die Firmen um, sondern der drohende Versorgungsmangel. Zu den wichtigsten gemeinsamen Forderungen gehören ein wettbewerbsfähiges Steuersystem und das Einbremsen der Sozialausgabenlast.
Der Generalverdacht muss aufhören!
Neben der wachsenden Regulierung sind mittelständische Familienunternehmen sichtlich genervt vom dahinterstehenden Denkansatz: Ständig wird unterstellt, dass etwas nicht stimmt. Während die heimische Industrie gegängelt wird, stehen für Shein und Temu Tür und Tor offen.
Die Politik muss wieder lernen, was Mittelstand bedeutet!
Das Verständnis für die immense wirtschaftliche Bedeutung des familiären Mittelstands, aber auch für seinen fehlenden Größenvorteil muss wieder her. Das betrifft auch die Suche nach Fachkräften und die Umsetzung der ESG-Regulatorik.

In der Strickerei von Mey. Bild ©: Gesamtmasche
Wir brauchen eine sichere und kostengünstige Energieversorgung!
Die Energiewende beschert dem textilen Mittelstand eine Kostenexplosion und eine unsichere Versorgung. Dunkelflauten sorgen bereits heute für Produktionsunterbrechungen.
Die Herrschaft des Beratertums muss enden!
Die Übergriffigkeit des Staates führt zu einer verschachtelten Bürokratie, die sich ohne externe Hilfe kaum mehr stemmen lässt. Ob Umwelt, Energie oder Lieferkettensorgfalt: Die Beraterbranche boomt, während „echte“ Nachhaltigkeitsfortschritte auf der Strecke bleiben. Das ist völlig ineffizient.
Nachhaltige Produktion am Standort muss sich wieder lohnen!
Die Regulierungswut erschwert die Herstellung nachhaltiger Produkte. Die Überregulierung führt zu Fehlanreizen und Ungerechtigkeiten. Dazu kommen die Richtlinien zu Green Claims- und Empco, die die Kommunikation zu Nachhaltigkeitsthemen praktisch unterbinden.
Umweltgesetze müssen umsetzbar und wissenschaftsbasiert sein!
Umweltauflagen müssen sich wieder an neutralen wissenschaftlichen Ergebnissen und an der Machbarkeit orientieren. Beispiel PFAS-freie Produktion: Bis heute stehen keine adäquaten Alternativen zur Verfügung. Oder die Anforderung geschlossener Faserkreisläufe: Bis heute gibt es keine verlässliche Methode zum Nachweis des Rezyklatanteil in Textilien.
Fazit: Regulierung ist ein Chancen-Killer!
Der textile Mittelstand erlebt eine Vervielfachung von Vorschriften und Auflagen. In den Bürotürmen entstehen praxisferne Konstrukte. Dabei werden aber nicht alle Player gleichbehandelt. Ehrliche Anstrengungen für eine nachhaltigere Produktion werden bestraft statt belohnt. Die Nachhaltigkeitsindustrie boomt, ohne dass etwas verbessert wird. Vieles würde besser funktionieren, überließe man es schlicht.