Die EU-Lieferkettenrichtlinie: Eine folgenreiche Fehlentscheidung

RECHT & WIRTSCHAFT
 
 
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Die EU-Lieferkettenrichtlinie: Eine folgenreiche Fehlentscheidung
25.04.2024
Am 24. April 2024 hat das EU-Parlament die Lieferkettenrichtlinie gebilligt (CSDDD). Im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz ist die CSDDD deutlich strenger. Vor allem auf dem Mittelstand drohen Probleme.

Bereits im März hatten der Ausschuss der Ständigen Vertreter und der Rechtsausschuss des EU-Parlaments den Kompromiss zur EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) gebilligt. Deutschland hatte auf Betreiben der FDP den Text bis zum Schluss abgelehnt. Mit der Richtlinie droht eine neue sinnlose Bürokratiewelle. 

Im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz sind die Vorgaben der europäischen Richtlinie deutlich strenger. Insbesondere sind auch Umweltpflichten wie etwa das 1,5-Grad-Klimaziel zu beachten. Außerdem sollen die neuen Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Wertschöpfungskette gelten und somit nicht nur vorgelagerte, sondern auch nachgelagerte Aktivitäten umfassen. 

Der im März abgesegnete Kompromiss hat zu einigen Verbesserungen auch für mittelständische Textil- und Bekleidungsunternehmen geführt.

  • Firmen ab 1.000 Beschäftigten und einem Umsatz ab 450 Mio. EUR werden erfasst (zuvor: 500 MA / 150 Mio. Umsatz)
  • Risikosektoren (u. a. Textil) mit gesonderten Schwellenwerten: ersatzlos gestrichen
  • Verknüpfung der Vergütung/Boni von Mitgliedern der Unternehmensleitung mit dem Klimaziel: ersatzlos gestrichen.
  • Zugang zur zivilrechtlichen Haftung (Stichwort NGO-Klage): Autorisierung der tatsächlich geschädigten Person ist ausschlaggebend.
  • Entsorgung der Produkte ist von der Aktivitätenkette nicht mehr umfasst.

Inkrafttreten und Stufenplan

Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis 2026 umsetzen. Ab 2027, drei Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD, werden die ersten Unternehmen von ihr erfasst. Folgender Stufenplan gilt nach Unternehmensgröße:

  • Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mit einem Umsatz von mehr als 1,5 Mrd. Euro: 3 Jahre nach Inkrafttreten;
  • Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 900 Mio. Euro: 4 Jahre nach Inkrafttreten.
  • Alle Unternehmen ab 1 000 Beschäftigten und einem Jahresbruttoumsatz von 450 Millionen Euro innerhalb der EU: 5 Jahre nach Inkrafttreten der CSDDD.

Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer Gesamtverband textil+mode.

„Wir kennen die Dynamik schon aus der nationalen Debatte. Am Ende glauben alle, dass sie sich einer guten Sache nicht in den Weg stellen dürfen. Die Lieferkettenrichtlinie bleibt praxisfern, denn grundlegende Probleme, wie unklare Haftungsregeln außerhalb des eigenen Einflussbereichs bleiben bestehen. So hat der
Widerstand der FDP zwar Verbesserungen im Detail erbracht. Unterm Strich ist der nach zähem Ringen in letzter Sekunde gefundene Kompromiss aber eine Fehlentscheidung.“

 

Fazit

Trotz richtiger und wichtiger Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Kompromisstext bleibt die Richtlinie problembehaftet, praxisfremd und enorm bürokratisch. Sie schafft keinen Mehrwert für Menschenrechte, aber mehr Unsicherheit für die Wirtschaft. Haftungsfragen bleiben ungelöst. Insgesamt bleibt die Richtlinie ein Bürokratiemonster, das vor allem den Mittelstand teuer zu stehen kommt, ohne die Situation insbesondere der Zulieferbetriebe in Entwicklungsländern positiv zu beeinflussen. Vielmehr zeichnet sich das genaue Gegenteil davon ab: Importeure kehren Lieferanten oder sogar ganzen Ländern den Rücken, weil die Dokumentation schwierig ist oder NGOs es schlichtweg so empfehlen. Vor allem kleinere Zulieferbetriebe und besonders arme Länder sind betroffen. Der Gesetzgebungsprozess selbst ist ein Skandal, über den kaum einer spricht: Jenseits des ordentlichen Verfahrens hat die belgische Ratspräsidentschaft ohne demokratische Legitimation intransparente Festlegungen vorgenommen – bis die Mehrheit passte.

↘ Silvia Jungbauer, jungbauer@gesamtmasche.de

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